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Ich erinnerte mich just heute an die Zeit, es mögen wohl die 80er Jahre gewesen sein, als es noch Kolumnen gab. Menschen ließen ihre wohl gewogenen Worte für teures Geld auf Papier drucken, in dem Wissen, dass da getuscht und gefaltet werden würde, zum Kiosk oder wenigstens zur Haustür gegangen, bezahlt, abonniert, aufgefaltet und gelesen, nur um des Kolumnisten Werke erwartungsvoll einer eifrig gebildeten kognitiven Struktur hinzuzufügen.

Kannte man ein Wörtchen aus der Kolumne nicht, zauberte das ein Lächeln der Freude aufs Gesicht, man nahm den Brockhaus zur Hand oder wenigstens das Knauers Lexikon A-Z, und wenn das nicht half, griff man zum Wählscheibentelefon und ließ die Scheibe surren, auf dass ein noch Klügerer Kolumnenleser aushalf.

Authentisch, seriös

Heute gibt es wieder Texte, die sich so nennen, das sind dann solche, die man kürzlich noch “Blogs” nannte, aber, weil die Wörterindustrie längst nur mehr eine schlechtere Schuhmode ist und sich in der PR-Abteilung wer an Zeiten erinnerte, in denen “Kolumne” Seriosität® ausstrahlte, muss es derzeit wieder “Kolumne” heißen. Hinter dem Seriositätsstrahler steht derweil eine ehemalige Bedeutung, kommt das doch von “Säule”, meinte eine Spalte bedruckten Papiers und eben nicht die graphische Darstelling von “Klickzahlen”.

Bedeutung ihrerseits gilt inzwischen als verzichtbar, und wo dereinst Bildung sich entfalten sollte, bevorzugt das Medium heute den kurzen Prozess: Rein ins Auge, ein Ründchen durchs Kleinhirn und beim Yoga gleich wieder ausschwitzen. War da was? Endlich verständlich®: Wir nennen die Schuldigen, Sie müssen nur noch das Urteil anklicken. Like!

In der Gutenaltenzeit der Kolumnen gab es kein Cyber für jedermann, kein ständiges Summen, Vibrieren und Pingen und die meiste Zeit sogar nur drei Fernsehprogramme. Im Fernsehen mussten alle zur gleichen Zeit Filme und Serien gucken und hatten sich nachher was zu erzählen. In den Serien suchten meist charismatische Cops böse Jungs und aßen Fast Food. Verrückt: Die in Kalkar und Wackersdorf waren ähnlich genährt, aber kein bisschen charismatisch

Immer was los

Das Schnellgericht bestand damals noch aus Currywurstpommes, wo heute Junkfood aus der Industriehölle® in der Mikrowelle desinfiziert und vollständig von Geschmack befreit wird. Die Cops im Fernsehen haben ihre Schnellgerichte meist im Stehen verzehrt und, derart vom Standgericht inspiriert, auch gleich den Job aller drei Gewalten in einem Aufwasch erledigt. Das mag der Deutsche.

Umrahmt von klaren Feindbildern (Sowjetrussen, die mit zertifizierten Massenvernichtungswaffen tatsächlich auf unsere Städte zielten, Punker, Schalke), war das Leben so reich an Themen wie ein orientalischer Basar an Gewürzen. Selbst politisch war so viel los, dass man Kolumnen einfach über Alltägliches schreiben konnte. Abschreiben ging gar nicht, dann hätte man ja die Ereignisse von vorgestern durchgekaut. Wer mehrfach etwas Kluges schrieb als Kolumnist, galt gar als “Kommunist”. Es war nicht alles schlecht.