Ruhe ist die Bürgerpflicht
Posted by flatter under politik , theorie[35] Comments
23. Jun 2018 16:05
Die bürgerliche Gesellschaft weist in ihrem Fundament drei Risse auf, die kaum mehr zu kitten sind: Erstens ist sie nur noch reaktionär, das heißt, ihre politischen Entscheider versuchen mit allen Mitteln, die herrschenden Verhältnisse beizubehalten. Zweitens zersetzt sie mit den Regeln, auf denen sie beruht, ihr eigenes ideologisches Fundament. Da sie aber die Herrschaft verteidigt, die sich an keine Regeln mehr hält, kann sie das nicht einmal wahrnehmen. Drittens hat sie mit der Renaissance des Feindrechts zur eigenen Vernichtung angesetzt, weil sie sich selbst zum Feind wird.
Die bürgerliche Revolution, ich wiederhole das hier oft, hatte ein gewisses Regelwerk geschaffen, das sie benötigt um Verträge schließen zu können und die nötige Stabilität für kapitalistisches Wirtschaften zu ermöglichen. Spätestens mit dem Nationalsozialismus wurde diese Form der Zivilisation völlig zerstört. Die Aufgabe der Nachkriegsdemokratien bestand darin, diese wieder einzusetzen. Das ist nicht gelungen. Das erste Versagen besteht in der entschiedenen Rückkehr zum Kapitalismus, den beispielhaft die CDU in ihrem Ahlener Programm eigentlich abgelehnt hatte. Das nächste besteht in der Rückkehr zum totalen Primat des Profits durch den Neoliberalismus.
Deutsch-revolutionär
Zwischenblende: Jan Carl Raspe hat in einer Erklärung formuliert, dass “Freiheit nur möglich ist im Kampf um Befreiung“. Diese Formel bringt den Bruch des Nachkriegssystems mit seinen bürgerlichen(!) Kindern auf den Punkt. Im Faschismus schneidet das Bürgertum seine Wurzeln ab gibt jeden kritischen Selbstbezug auf. Was als Revolution gegen Herrschaft begann, endet in der totalen Herrschaft. Das Ende des Nationalsozialismus hätte daher selbst einer revolutionären Bewegung bedurft. Stattdessen wurde der NS offiziell für beendet erklärt, ohne dass man sich auch nur damit beschäftigt hätte, was da war.
Die RAF hat daran erinnert. Nur permanente Erneuerung könnte das Versprechen der bürgerlichen Gesellschaft auf “Demokratie” einlösen. Je starrer sie wird, desto weniger demokratisch kann sie sein. Die Verwechslung der ‘Stadtguerilla’ lag freilich darin, dass sie das falsche Versprechen mit den falschen Mitteln in eine richtige Gesellschaft überführen wollte, die es gar nicht geben kann. Tragisch dumm und konsequent deutsch.
Wo der Feind droht
Damit wurde ein Konflikt vorweggenommen, der erst in neuen Jahrtausend richtig ausgebrochen ist. Das Feindrecht ist zurück, Rassismus ist wieder da, die Menschenrechte zerfallen, weil es keine Einigung mehr darüber gibt, wer ein Mensch ist und wer nicht. In den USA werden Kinder durch Deprivation gefoltert. In der EU wird die Regierungsbeteiligung von Faschisten zum Regelfall. In Deutschland zerfällt eine Regierung wegen der rassistischen Politik der CSU.
Feindrecht ist der Kern dieser Angelegenheit, weil dessen Basis totale Entrechtung ist. Es muss keinen Grund mehr geben, um Krieg zu führen, Menschen zu töten oder Kinder zu foltern. Es reicht, dass man sich bedroht fühlt. Dergleichen gab es schon in früheren Phasen, eines hat sich aber geändert: Kann man solches Feindrecht gegen ein ‘Außen’ gerade noch richten, weil es eben die innere Gesellschaft nicht zersetzt, funktioniert das in einer globalen Zivilisation nicht mehr. Es gibt kein Außen mehr, daher kann jeder jederzeit zum Feind werden. Das ist der neue Übergang vom bürgerlichen zum faschistischen Staat.
Der vorletzte Schritt
Die Geheimdienste und Polizeien leben das längst aus. Den vermeintlichen Feind zu vernichten ist wichtiger als solche Kleinigkeiten wie Grundgesetz, Legalität überhaupt oder politische Legitimation. Die Bürger zerfallen in zwei entscheidende Lager: Die Einen wenden sich ab, weil sie ihre Ohnmacht erkennen oder angewidert sind, die Anderen fühlen sich permanent bedroht und betrogen. Damit nicht noch mehr kommen und ihnen etwas wegnehmen, wendet sich ihre Raserei gegen Menschen allgemein. Sie fokussieren dabei zunächst auf die, die nicht hierher gehören.
Der Rest tut, was er schon immer tat: So als sei nichts gewesen und mitmachen. Krise? Welche Krise? Die Autoritäten machen das schon. Wenn nicht die, an der wir seit Jahrzehnten festhalten, dann halt die nächste. Oder die übernächste. Irgendwer wird schon kommen und für Ordnung sorgen. Ein Bewusstsein findet nicht statt. Es gibt keinen Diskurs, in dem der Zerfall dieser Form der Zivilisation auch nur thematisiert wird.
Juni 23rd, 2018 at 18:36
Einspruch!
Der Einstieg ist gut: „Die bürgerliche Gesellschaft weist … drei Risse auf…“ Die Fortsetzung führt davon weg. „Erstens ist sie nur noch reaktionär, das heißt ihre politischen Entscheider versuchen…“ Hier wird die „bürgerliche Gesellschaft“ (= die Arbeits- und Lebensweise von 82 Millionen Menschen in Deutschland) auf ihre „politischen Entscheider“, die politische Klasse, reduziert. Alles weiter dito.
Im Folgenden kommt viel berechtigter Beschwer über die die politische Form der Herrschaft, aber als einzige Form des Widerstands erscheint nur die RAF. So erscheint die herrschende Klasse als übermächtig, jeder Widerstand als sinnlos. So eine verengte Weltsicht mündet entweder in Zynismus oder in Depression.
Ja, die Entwicklung ins Reaktionäre ist korrekt beschrieben. Aber die Gründe für diese Entwicklung liegen nicht in einer wachsenden Macht der Herrschenden, sondern in ihrer schwindenden Macht.
Das Bewusstsein der schwindenden Macht unserer Machthaber ist überall vorhanden, nur nicht hier und nur nicht unter Linken.
Gruß Wal
Juni 23rd, 2018 at 18:50
Der Bürger will doch Ruhe,nur wenn ihm etwas nicht behagt/passt
was er ohne die Blöd/AfD und Konsorten nicht merken würde…
Dann darf es sich nicht zulaut bewegen oder zuteuer
oder sich gar wirklich verändern,
geschweige das er selbst sich wirklich bewegt/verändert…
Darauf nehmen gutezuwählende Politiker Rücksicht und werden dafür belohnt…
Ach ja und das einem dann noch mindestens ein Sündenbock vor die Füsse geschmissen wird rundet die Sache ab….
Hauptsache uns geht’s gut!
Ich habe halt ein einfaches Gemüt aber wem sage ich das…
Mutter sagte,das der Löw gekauft wäre…
würde mich nicht wundern.
Juni 23rd, 2018 at 19:27
@Wal.: Von der “wachsenden Macht der Herrschenden” steht da oben nix, ich beschreibe tendenziell das Gegenteil, denn wo der Kitt fehlt, zerfällt auch Herrschaft.
Zwotens: “auf ihre „politischen Entscheider“, die politische Klasse, reduziert“, wird auch nix. a) ist das ausdrücklich einer von drei Rissen, es wird also nicht dartauf reduziert. b) beschreibt es die Handlungsweise, nicht die Machtstruktur, will heißen: Selbstverständlich sind die “Entscheider” völlig austauschbar, aber das dekadente Niveau ihrer reaktionären Handlungen nicht. Das ist ein Symptom.
Schließlich geht es mir darum, dass trotz der Evidenz des Zerfalls so getan wird, als gäbe es nie ein Ende dieser besten aller Welten.
Juni 23rd, 2018 at 20:10
Ja, von Gründen steht da nix. Das ist das Problem. Es stehen da Beschwerden, Anklagen.
Beschwerden gibt es wie Sand am Meer. Was dringend nötig wären, sind Erklärungen und Zusammenhänge.
Gruß Wal
Juni 23rd, 2018 at 20:50
Das Bewusstsein der schwindenden Macht unserer Machthaber ist überall vorhanden, nur nicht hier und nur nicht unter Linken.
Einspruch! Zu den Linken kann und will ich nix mehr sagen ;) – aber ‘hier’, behaupte ich ebenfalls mal, gibt es dieses Bewusstsein sehr wohl…
…denn wo der Kitt fehlt, zerfällt auch Herrschaft.
Ich würde allerdings hier, auch nach unserer entsprechenden Diskussion neulich, auch zunächst von Macht sprechen, die zerfällt, worauf sich Herrschaft anderen Mechanismen zuwendet, Repression und eben besagtem Feindrecht. Damit mag’s noch eine Weile gehen – leider.
Augenfälligste Erklärung für den Verfall der Macht ist mE, dass die ‘herrschenden Klassen’ offensichtlich keine Lösungen für die multiple Krise dieses verkorksten Gesellschaftssystems mehr anzubieten haben. Ihre Ratlosigkeit ist greifbar. Und ich behaupte mal, dass selbst die meisten beschwerdeführenden Wutbürger im Grunde zumindest ahnen, dass auch ihre ‘billigen Lösungen’ längst keine mehr sein können. Hier böte sich eigentlich die Möglichkeit, von der personalisierten Herrschaft auf die abstrakte zu kommen – aber ‘die Linke’ versagt hier tatsächlich auf ganzer Linie.
Juni 23rd, 2018 at 22:33
@Wal: Das ist eine Analyse und Zustandsbeschreibung. Ich beschreibe den Riss in der fundamentalen Idee des Bürgertums und die Rolle des Feindrechts. Das ist keine Begründung? Wenn sie nicht reicht, brauchen wir eben einen Diskurs, den ich im Schlußsatz fordere. Was erwartest du von mir?
edit: Da steht keine einzige Beschwerde oder Anklage. Ich lege großen Wert darauf, dass meine Texte gelesen werden und Kritik begründet wird. Ich formuliere sehr bewusst, und da steht nicht einmal, etwas dürfe nicht so sein oder jemand müsse zur Rechenschaft gezogen werden. Das wäre dann eine Beschwerde oder Anklage. Insofern geht deine Kritik schlicht fehl. Wir haben hier bei kurzen Texten nur das präzise Wort als Mittel des Austauschs.
Juni 23rd, 2018 at 22:36
@Peinhart: Sie haben nicht nur keine Lösungen, es fragt niemand nach welchen. Das ist es, was mich so gruselt. Ansonsten bin ich völlig bei dir.
Juni 24th, 2018 at 09:29
@flatter: Du beschreibst immer alles richtig. Wer widerspricht, hat jedesmal deinen Text nicht gut gelesen. Das ist der “Diskurs”, den du ständig anmahnst.
Wenn ich dennoch auf irgendwas insistiere, kommen Invektiven von dir.
Juni 24th, 2018 at 11:26
Schließe doch icht ständig von dir auf eine Allgemeinheit. Da steht wiederum nirgends, dass ich richtig beschreibe. Du meintest aber, ich beschwerte mich oder klagte an. Du liest nicht mal deine eigenen Texte. Hättest du behauptet, ich hätte etwas falsch beschrieben, hätte ich mich darauf bezogen.
p.s.: Was du da machst ist btw. reine Projektion. Kaum jemand hat hier je so zuverlässig auf Widerspruch mit Vorwürfen reagiert wie du. Die Behauptung, ich hätte dich beleidigt, ist zudem selbst infam. Wenn du dich freilich immer beleidigt fühlst, wenn man dir widerspricht, solltest du den Disput meiden. Das ist jetzt das letzte Mal, dass ich auf deine persönlichen Anwürfe eingehe.
Juni 24th, 2018 at 11:28
Hey Wal, steck dein Ego mal wieder ins Holster zurück (;
Ich persönlich find es erstmal gleichgültig ob flatter Recht hat oder nicht, seine Texte fordern mich immer wieder zu produktiver/kritischer Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Verhältnissen heraus. Das Forum wird straff moderiert und irgendwelchen herausgehauenen Bemerkungen auf den Zahn gefühlt, das ist vielleicht unbequem aber ich schätze es sehr.
Ja, die “herrschende Klasse” erscheint übermächtig, aber diese Übermacht liegt einzig darin, daß sie ihr von der “bürgerlichen Gesellschaft” gehorsam eingeräumt wird (letzter Absatz). Und das mündet bei mir in Depression und Zynismus.
@Peinhart
“Hier böte sich eigentlich die Möglichkeit, von der personalisierten Herrschaft auf die abstrakte zu kommen”
Das versteh ich nicht, was meinst du damit?
Juni 24th, 2018 at 12:02
OT: Beim Spon sind die ersten zehn! Artikelchen zum Schlandspiel. Der Spiegel ist mir zu links®.
Juni 24th, 2018 at 20:15
@L´Andratté – Damit meinte ich die Tatsache, dass die ‘herrschende Klasse’ ja selbst beherrscht wird, durch das ‘automatische Subjekt’ Kapital. Die ‘herrschen’ ja keineswegs nach Belieben oder Gutsherrenart, sondern sind letztlich vielmehr selbst Getriebene unter stetig sich verschärfender Beobachtung. Und daran wird sich eben auch noch nichts ändern, solang man sich nur einfach die Küche krallt und das herrschende Personal da rauswirft.
Juni 24th, 2018 at 20:43
Man mag sich zuweilen wundern, ob Donald Trump nicht ein makroskopisches Quantensystem darstellt. Sein intellektueller, emotionaler und allgemein geistiger Zustand ist objektiv nicht bestimmbar. Er lebt sozusagen in einer Superposition aus Dialogbereitschaft und sturer Wutpolitik, sozialen Versprechungen und knallhartem Reichen-Klientelen-Lobbyismus, Charmebemühungen und Rotzbengel-Auftritten.
Erst die konkrete Interaktion mit einem Gegenüber, sei es politischer Gegner, Partner oder die Presse, bringt einen bestimmten Zustand in seinem Verhalten hervor, und dies auf a priori nicht determinierte Weise. Vorher ist sein Zustand vergleichbar mit dem eines Elektrons vor der Messung: nicht nur unbekannt, sondern objektiv unbestimmt. Ihm kommt keinerlei eigene substantielle Realität zu. Mag diese Parallele zwischen Quantenphysik und dem heutigen Rechtpopulismus amerikanischer Prägung auch ein wenig zu sehr dem Wunsch nach satirischer Erfassung des Unfassbaren entspringen, so lassen sich auf einer tieferen Ebene durchaus Verbindungen beider herstellen, wie im Folgenden dargelegt werden soll. hier weiter…
Juni 25th, 2018 at 08:43
Passt zufällig sehr gut hier rein: Es muss wieder gestraft werden – Zur Rückkehr des repressiven Strafrechts in der Krise der Arbeitsgesellschaft
Die These lautet grob gesprochen, dass die Art des Strafvollzugs zumindest mittelbar verknüpft ist mit dem Arbeitskräftebedarf einer Gesellschaft, also mit den kapitalistischen Notwendigkeiten der Bewirtschaftung des Humankapitals:
Die Diagnose einer „Rückkehr des repressiven Strafrechts“ ist vor diesem Hintergrund daher auch nicht als These der Wiederkehr eines „starken Staats“ misszuverstehen. Ganz im Gegenteil: Der Staat betreibt lediglich mit den Mitteln, die er hat (und solange er sie noch hat), Krisenverwaltung – und eines seiner bevorzugten Mittel hierfür ist das Strafrecht.
Juni 25th, 2018 at 12:25
Danke!
Juni 25th, 2018 at 22:55
Gern!
Juni 26th, 2018 at 10:50
Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch mal den Augstein verlinke, aber der scheint etwas gerafft zu haben.
Juni 26th, 2018 at 20:17
Welcome to the Age Of Bullshit…
Juni 26th, 2018 at 20:57
Und noch ein kleines Praxisbeispiel zum Augstein-Artikel.
Juni 27th, 2018 at 00:51
ich schmeiss mich weg! augstein zitiert “zardoz”. HA! das ende ist nah…
Juni 27th, 2018 at 08:24
@Peinhart: Immer dieses neumodische Geschreibsel. Arendt hat die wesentlichen Dinge bereits vor über 50 Jahren aufgeschrieben: Wahrheit und Politik
Ohne außerparlamentarische Gruppen, die auch gesetzgebend/-ändernd wirksam sein können, droht jeder repräsentativen Demokratie das Kippen in den Totalitarismus.
War so. Ist so. Wird auch immer so bleiben.
Juni 27th, 2018 at 08:49
@Rainer – Guter Hinweis, danke, auch wenn mich deine Schlussfolgerung erstmal etwas irritiert – wo gibt’s denn sowas…?
Und hier noch ein ‘virtueller Rückgriff’ auf Focault.
Juni 27th, 2018 at 08:54
@Peinhart: Das ist nicht meine Schlussfolgerung, sondern die Arendts.
Juni 27th, 2018 at 11:53
“Der Rest tut, was er schon immer tat: … Ein Bewusstsein findet nicht statt. Es gibt keinen Diskurs, in dem der Zerfall dieser Form der Zivilisation auch nur thematisiert wird.”
Ich bin im Widerstand, ich geh’ ins Kabaret (und les’ hier ;-)).
Edit: (das obige Dispütchen mit Wal als Besipiel) flatter, Du weißt wie sehr Du geschätzt wirst, trotzdem fällt mir ein: “Perfektion weckt Agression” – will sagen: Deine Texxte sind vllt. eine Umdrehung ‘zu gut’? Wenn hier – vllt. in einiger Zeit – nur noch von wenigen, die mithalten können, kommentiert wird/werden kann, iss dann besser?
Juni 27th, 2018 at 12:00
Ich und der Pispers legen ein gutes Wort für dich ein.
Juni 27th, 2018 at 12:04
#25
:-D
Juni 27th, 2018 at 19:45
Ein Tag der Hoffnung; vielleicht können ja ein paar von diesen Syrern Fußball spielen :-p
Juni 27th, 2018 at 20:49
Im Markt des Vertrauens werden gerade in einer Zusatzschicht die in grosser Zahl liegengebliebenen Winkelemente und anderer Krempel mit nem schwarzen Streifen überklebt, der Verkauf geht weiter…
Ansonsten, nochma Daumendrück, mein Lieblingsherzinfarkt is heut morgen nach Ceska Lipa in die Kardiologie. Freitach wird der Übeltäter, eine verstopfte große Arterie, wieder frei gemacht…
Juni 27th, 2018 at 21:21
Wal: “Das Bewusstsein der schwindenden Macht unserer Machthaber ist überall vorhanden, nur nicht hier und nur nicht unter Linken. ”
Was zu begründen gewesen wäre. Es liegt hier übrigens eine sehr bürgerliche Denkweise vor, die politische Macht an die Person bindet. Politische Macht indessen geht von den Ämtern und nicht von bürgerlichen Typen aus, die sie inne haben. Diese sind nur Träger der Macht und die schwindet, wenn sie in der Konkurrenz um die Ämter schlecht abschneiden. Wenn einer in der Konkurrenz verliert, ist er weg und wird durch einen anderen ersetzt. Die Macht wird also nur unter Personen ausgetauscht und das Amt bleibt. Die Ämter aber, welche die nationale Macht konstituieren, stellen linke und rechte Bürger indessen nicht in Frage. Deren politische Kritik beschränkt sich darauf, dass diese besser auszuführen seien, zu kontrollieren seien, demokratischer zu legitimieren seien und ähnlicher Käse.
Juni 27th, 2018 at 21:31
duke…ich hab doch gesagt, das ende ist nah…
Juni 28th, 2018 at 19:37
@ricardo – und auch die Ämter und Institutionen haben nur die ihnen zugeschriebene Macht…
Juni 30th, 2018 at 11:21
@ricardo #29
Wal: “Das Bewusstsein der schwindenden Macht unserer Machthaber ist überall vorhanden, nur nicht hier und nur nicht unter Linken. ”
ricardo: „Was zu begründen gewesen wäre. Es liegt hier übrigens eine sehr bürgerliche Denkweise vor, die politische Macht an die Person bindet. Politische Macht indessen geht von den Ämtern und nicht von bürgerlichen Typen aus, die sie inne haben.“ Zitatende
Wer eine Begründung für schwindende Staatsmacht braucht, der findet sie z.B. bei Thomas Kirchner in der FAZ, der feststellt: „Seit Beginn der Flüchtlingskrise steht für die Europäische Union ein Ziel im Vordergrund: das Geschehen (wieder) kontrollieren zu können. Ob berechtigt oder nicht – wenig hat … die Politiker, so beunruhigt wie das Gefühl, dass auf europäischem Boden etwas passiert, das weder gelenkt noch gar begrenzt werden kann.“
Es ist offenbar einigen Leuten eine Genugtuung, bei mir „eine sehr bürgerliche Denkweise“ zu entdecken. Mit meiner „sehr bürgerlichen Denkweise“, glaube ich jedoch nicht, dass politische Macht „von den Ämtern“ ausgeht. Das ist bloße Tautologie. Politische Macht existiert im bürgerlichen Staat nur als Staatsamt.
Politische Macht kommt nicht „von den Ämtern“, sondern von der mehr oder minder störungsfreien Arbeits- und Lebensweise von rund 80 Millionen Lohnabhängigen. Möglichste Störungsfreiheit der Arbeits- und Lebensweise der Lohnabhängigen ist der Grund und Zweck des bürgerlichen Staates.
Gruß Wal
Juli 3rd, 2018 at 18:14
Wal: “Das ist bloße Tautologie. Politische Macht existiert im bürgerlichen Staat nur als Staatsamt. Politische Macht kommt nicht „von den Ämtern“, sondern von der mehr oder minder störungsfreien Arbeits- und Lebensweise von rund 80 Millionen Lohnabhängigen. Möglichste Störungsfreiheit der Arbeits- und Lebensweise der Lohnabhängigen ist der Grund und Zweck des bürgerlichen Staates.”
Nun ja, mit der Tautologie würde ich aufpassen. Tautologie kann frau etwa als begründungsloses Dahingeplappere definieren und leicht kommt frau dabei, wie in deinem Fall. zu Zirkelschlüssen:
Am Anfang sagst du, dass die Staatsämter politische Macht konstituieren.
In der Mitte sagst du diese Macht käme von der mehr oder minder störungsfreien Arbeits- und Lebensweise von rund 80 Millionen Lohnabhängigen.
Am Ende sagst du, die Herstellung der Störungsfreiheit der Arbeits- und Produktionsweise ist der Zweck des Staates.
Wenn frau das aufdröselt, geht der Zirkel, wenn das Ganze Sinn machen soll, so: Die politische Macht existiert als Staatsamt. Mit dieser stellt der Staat zuvor qua der Staatsämter möglichst störungsfreie Produktions- und Arbeitsverhältnisse her, von denen die politische Macht kommt, die als Staatsamt existiert. Also Macht am Anfang und Macht am Ende. Warum aber geht deiner Meinung nach Macht nun nicht von politischen Ämtern aus? Ich hätte ja gerne etwas dazu gelernt, aber ich weiß es immer noch nicht.
Dabei ist die Sache, wie oben festgehalten, einfach: Die politische Macht geht deshalb von einem Amt aus, weil sie durch die Zustimmung von “rund 80 Millionen Lohnabhängigen” konstituiert ist.
Wal: “Wer eine Begründung für schwindende Staatsmacht braucht, der findet sie z.B. bei Thomas Kirchner in der FAZ, der feststellt: „Seit Beginn der Flüchtlingskrise steht für die Europäische Union ein Ziel im Vordergrund: das Geschehen (wieder) kontrollieren zu können. Ob berechtigt oder nicht – wenig hat … die Politiker, so beunruhigt wie das Gefühl, dass auf europäischem Boden etwas passiert, das weder gelenkt noch gar begrenzt werden kann.“
Ausgerechnet die “Flüchtlingskrise” soll eine Begründung für die These der “schwindenden Staatsmacht” sein. Generell führen Krisen ohne den Willen der Lohnarbeiterinnen zum Kommunismus zu einer Verstärkung der demokratischen Staatsmacht. So wie jetzt die “Flüchtlingskrise” genutzt wird, die Asylrechte zugunsten mehr Staatsmacht abzubauen, so wie die islamistischen Anschläge zur Einschränkung der Grundgesetze geführt haben, so wie in der Wirtschaftskrise Ende der 70er Jahre Sozialrechte beschnitten wurden. In Polen und Ungarn haben u. a. die Neofaschisten wegen der Flüchtlingskrise ihre Macht im Staat vergrößert bzw. vervollkommnet, wie allgemein die Neofaschisten auf dem Vormarsch sind. Da scheint mir der hier verwandte FAZ-Text als Begründung der These von der “schwindenden Macht unserer Machthaber” dann doch etwas zu dürftig.
Juli 4th, 2018 at 11:06
Ricardo sagt: „Die politische Macht geht deshalb von einem Amt aus, weil sie durch die Zustimmung von “rund 80 Millionen Lohnabhängigen” konstituiert ist.“
Das behauptet nichts anderes als GG Art. 20,2: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“
Beide Aussagen sind sich darin einig, dass der bürgerliche Staat KEIN Kontroll- und Unterdrückungsinstrument einer besitzenden Minderheit über die besitzlose Mehrheit ist, sondern ein von Allen akzeptierter Rechtsrahmen. Welch schöne, harmonische Welt!
Juli 4th, 2018 at 16:41
Das ist zwar weiterhin keine Begründung deiner These von der “schwindenden politischen Macht unserer Machthaber”, aber um auf deine falsche Schlussfolgerung einzugehen: dein Erkenntnisproblem war und ist, dass du nicht zwischen Lohnarbeiterinnen und Bürgerinnen bzw. Volk differenzieren kannst oder willst. Als Lohnarbeiterinnen sind die Menschen Unterdrückte und Ausgebeutete, als Bürgerin und Volksgenossin sind sie das zwar weiterhin, bilden sich aber ein, das nicht mehr zu sein und sitzen vom Prinzip her im gemeinsamen Boot mit denen, die sie ausnehmen und unterdrücken, was aber in dieser Konstellation so nicht wahrgenommen wird.
Menschen werden zunächst in das Lohnarbeiterinnendasein hineingeboren, aber sie haben die Chance, zwischen der Alternative Lohnarbeiterinnen bleiben oder frei assozierte Individuen werden zu wollen, entscheiden zu können. Und allein dieser Dualismus kann der Ausgangspunkt linker Politik sein. Denn mit der Entscheidung für das Lohnarbeiterdasein können das Elend und die Barbarei nicht überwunden werden, weil die Existenz der Lohnarbeiterin per se ja der Grund für Elend und Barbarei ist. Bürgerliche politische Formen wie die Demokratie oder der Faschismus organisieren dieses Elend nur in anderer Weise und führen die Menschen regelmäßig in kleinere oder größere Katastrophen.
Was im Grundgesetz steht ist an sich ziemlich wurscht. Nur durch die Entscheidung der Lohnarbeiterinnen für die Alternative Bürgerin bzw. Volk sein zu wollen, haben dieses und andere Gesetze überhaupt Bindungswirkung aus der die Organe, Institutionen und Ämter, kurz der politisch-administrative Apparat, seine Macht ableiten kann. Dann haben die Lohnarbeiterinnen aber kein Mittel mehr an der Hand, sich von ihrem Elend zu befreien, außer sich hin und wieder mal ordentlich aufzublasen oder in Wahlen darüber entscheiden zu dürfen, welche Charaktermasken in Zukunft ihr Elend organisieren sollen. Ausgehend von dieser Überlegung ist quasi jedes bürgerliche politische Engagement, jede Partizipation an politischen Entscheidungen, wie die Beteilung an der Diskussion über die Lösung des “Flüchtlingsproblems”, nicht nur als unnütz, sondern als schädlich einzustufen, weil hiermit die verkehrte Entscheidung der Lohnarbeiterinnen nur untermauert wird.
Weshalb dem von Autonomer aus konkret zitierten Satz: “Schon wer sich auf eine Diskussion um Quoten und Vergleiche einlässt, und wollte er nur der Lüge des Innenministers widersprechen, Deutschland sei das Land, das die meisten Flüchtlinge aufnimmt, beteiligt sich ungewollt an der Verharmlosung, wenn nicht Vertuschung dieses Verbrechens.” im Prinzip nur zuzustimmen ist.