Künstliche Blödheit und totaler Gehorsam
Posted by flatter under sozialzeugs[24] Comments
21. Jun 2018 13:31
Heute schon Spaß mit dem Algorithmus gehabt? Es gibt Geschichten, die sind einfach zu … häßlich. Der Computer (das “System”) dachte, ein Mitarbeiter sei entlassen. Kurzform: Die automatische Entlassungsroutine hat sich erfolgreich gegen jedes menschliche Eingreifen gewehrt, bis der Betroffene von der Security vor die Tür gesetzt werden ‘musste’. Noch vier Wochen später konnte er nicht zurück, da die Maschine noch mit seiner Vernichtung befasst war. Die Anderen konnten nur ihre Pflicht tun, selbst wenn sie es nicht wollten.
Kurz eine persönliche Erfahrung: Ich bin aus meiner KFZ-Versicherung geflogen. Nicht etwa, weil ich ein ständig alkoholisierter Pile Driver bin, der bei Rot erst richtig in Fahrt kommt und sich wöchentlich den Weg zum Aldi frei rammt; nein. Wegen eines Hagelschadens. Wir alle wissen, dass die Kunden mit Hagelschaden die unsichersten Kantonisten sind.
Die KI macht das schon
Solchen muss man zutrauen, dass sie auch mit der Axt aufs eigene Blech losgehen und nur zum Spaß über den Kinderspielplatz driften. Da kann man nichts machen. Hagelschaden. Welch ein Glück, dass die nächste Versicherung mich überhaupt noch aufgenommen hat (okay,ich habe einen Formfehler genutzt, um meinerseits zu kündigen. Wer weiß, was sonst …).
Das hier ist noch einige Etagen höher, weil es einem Flächenbrand gleichkommt: Eine Google-Software wird uns künftig (bei den Verlagen!) das “Gift aus den Kommentarspalten saugen“. Die Kriterien und das Prozedere, kurz: der Algorithmus, sind derweil zum Steinerweichen dämlich. Das wichtigste Kriterium für Verlage und Zensoren wird sein, dass es weniger Hasskommentare® gibt; die Auswertung wird dabei genau so unterbelichtet sein wie das Filtern. Kann ja gar nicht anders, denn vor allem eines werden wir nie erfahren: Was da wirklich ausgefiltert wird.
Mitmachen!
Das Problem ist hier nicht der Algorithmus, der ist halt wie er ist; gemessen an dem, was ‘KI’ sein soll, eben ein Embryo in der vierten Woche. Das erste Problem besteht nun darin, dass der Zellhaufen auf den Chefposten gesetzt wird, das zweite darin, dass niemand hingeht und den Stecker zieht.
Der Depp in der CPU hat totale Befehlsgewalt, weil seine willigen Helfer nicht kapiert haben, dass Gehorsam die wichtigste Säule des Faschismus ist. Deshalb hat auch bis heute niemand kapiert, dass Ausreden wie “nichts gewusst”, „nur Befehle befolgt“ oder „das steht hier so im System“ das Eingeständnis der vollen persönlichen Verantwortung sind. Heute haben wir einen Führer, der alles weiß und doch nichts. Er ist unsichtbar. Er ist Gott.
Juni 21st, 2018 at 14:25
Und während wir noch mit offenem Mund dastehen, wird ganz sicher schon irgendwo der erste Politiker weitere Begehrlichkeiten anmelden und eine Ausweitung der Kriterien verlangen.
Und möglich gemacht hat es die Masse an Menschen, die zu den großen Konzernen strömen und so überhaupt erst so enge Sollbruchstellen ermöglichen. Freies Internet hat fertig.
Juni 21st, 2018 at 20:47
Durchaus nicht so OT, weil zum Komplex ‘Gehorsam’ ja auch der Protest gehört: kleine Aktualisierung zu ‘Überwachen und Strafen’ sozusagen. Und auch die ‘Masse’ spielt hier wieder eine zentrale Rolle.
Juni 21st, 2018 at 21:29
Zugegeben nur Hearsay, noch dazu von der Storch – aber die Argumentation, so denn richtig wiedergegeben, ist einfach zu und zu geil: “Sie kritisierte auf Twitter unter anderem die Argumentation der Sozialdemokraten, dass die an sie ausgeschütteten Mittel wieder “an den Steuerzahler zurück[fließen würden], weil die Parteien das Geld ja zur Willensbildung der Bürger einsetz[t]en.” Quelle
Was wären wir nur ohne die, die unsren Willen bilden!
Juni 22nd, 2018 at 14:09
Da ihr mich ja in einer Kommentarflut ersäuft, ergänze ich das hier noch durch eine weitere Anekdote: Ich war einmal einkaufen, und die Kassiererin gab mir einen falschen Betrag heraus. Ich wies sie darauf hin, worauf sie meinte: “Die Kasse wird sich wohl kaum verrechnen”. Ich dann so: “Ihre Kasse setzt aber die Regeln der Mathematik nicht außer Kraft. Soll ich es Ihnen noch einmal vorrechnen?” Ich sollte. Sie verstand. Vor allem wohl, weil sie mir zu viel zurückgegeben hatte. Die Maschine hat immer recht. Kann gar nicht anders.
Juni 22nd, 2018 at 15:49
Tse-Kung kam einst auf dem Rückweg von Tschu nach Tsin an einem Ort nördlich des Hanflusses vorbei. Da sah er einen alten Mann, der einen Graben anlegte, um seinen Gemüsegarten mit einem Brunnen zu verbinden. Er schöpfte in einem Eimer Wasser aus dem Brunnen und goß es in den Graben, – eine große Arbeit mit einem sehr kleinen Ergebnis.
“Wenn du ein Triebwerk hier hättest”, rief Tse-Kung, “könntest du in einem Tage dein Stück Land hundertfach bewässern mit ganz geringer Mühe. Möchtest du nicht eines besitzen?”
“Was ist das?” fragte der Gärtner.
“Es ist ein Hebel aus Holz”, antwortete Tse-Kung, “der hinten schwer und vorne leicht ist. Er zieht Wasser aus dem Brunnen, wie du es mit deinen Händen tust, aber in stetig überfließendem Strom. Er wird Ziehstange genannt.”
Der Gärtner sah ihn ärgerlich an, lachte und sprach: “Dieses habe ich von meinem Lehrer gehört: die listige Hilfsgeräte haben, sind listig in ihren Geschäften, und die listig in ihren Geschäften sind, haben List in ihren Herzen, und die List in ihren Herzen haben, können nicht rein und unverderbt bleiben, und die nicht rein und unverderbt bleiben, sind ruhelos im Geiste, und die ruhelos im Geiste sind, in denen kann Tao nicht wohnen. Nicht daß ich diese Dinge nicht kennte; aber ich würde mich schämen, sie zu benützen.”
Tse-Kung war verlegen, senkte den Kopf und sagte nichts.
Nach einer Weile fragte ihn der Gärtner: “Wer bist du?”
“Ich bin ein Schüler Kung-Fu-Tses”, antwortete Tse-Kung.
“So bist du”, sagte der Gärtner, “einer von denen, die ihr Wissen ausdehnen, um als weise zu erscheinen; die groß reden, um sich über die Menge zu setzen; die einsam schwermütige Lieder singen, um ihren Ruf zu verbreiten. Könntest du all die Geisteskraft vergessen und die Gebärden abtun – dann erst würdest du nahe sein. Du aber vermagst dich selbst nicht zu regieren und willst die Welt regieren? Geh deines Wegs und störe meine Arbeit nicht länger.” (Zhuangzi, Kap. XII, SS 11)
Vielleicht mal etwas genereller diskutieren, was Maschinen mit und aus Menschen machen? So entlang von ‘Werkzeuge benutzt man, Maschinen aber bedient man’? Technik schafft neue Probleme, die gemeinhin mit noch mehr Technik ‘gelöst’ werden sollen – bis zur totalen Abhängigkeit, in der wir uns vermutlich längst befinden. Und was bedeutet das eigentlich für die so gepriesene ‘Produktivkraftentwicklung’? Selbst wenn man dabei, wie ja leider auch üblich, die Frage nach der Energie, die das ganze Automatenkarussell antreiben soll, behutsam ausklammert?
Können wir lernen, Maschinen wie Werkzeuge zu benutzen? Gibt es dabei Grenzen und wenn, wo liegen sie?
Juni 22nd, 2018 at 16:24
@flatter: Ich arbeite in der IT und was meinst du was bei uns Adminschluffis am häufigsten Kopfschütteln auslöst? Ja genau, endloses Vertrauen, entgegen jeglicher Logik und Argumentation. Die Maschine irrt nie!
Besonders schön ist auch der Standardspruch, den man zu hören bekommt, wenn etwas kaputt geht: “Wie kann DAS denn sein, gestern funktionierte es doch noch?!?!”
Es ist ein Mysterium, warum die menschliche Logik bei IT versagt. Wenn ein Fernseher kaputt geht, dann ist dem so und niemand diskutiert rum. Wenn IT Systeme spinnen oder kaputt gehen, dann gleicht das für viele Menschen einem Bruch im Raum-Zeít-Kontinuum…
Juni 22nd, 2018 at 17:28
Anekdotisch habe ich noch einen auf the next Level:
Weil aus Reporting-Berichten von größeren IT-Systemen gerne mal falsche Zahlen rauskommen können, die damit arbeitenden Mitarbeiter die Algorithmen aber auch gar nicht mehr durchblicken, rechnet man das im Nachgang nochmal mit Excel durch.
Juni 22nd, 2018 at 19:19
Okay, ich auch noch. In dem letzten Laden, ich dem ich gearbeitet habe, hab ich die EDV nebenher gemacht. Wir sind vor 4 Jahren in heftigem Streit auseinander gegangen, neulich ruft mich die Sekretöse an und fragt nach Passwörtern für die Website, die ein Externer gemacht hat. Ich meine: Aus dem Bus Gucken ist echt schwierig …
Juni 22nd, 2018 at 19:40
Klingt nach DGSVO Panik…
Edit: ups, DSGVO war gemeint
Juni 22nd, 2018 at 19:42
Yip.
Juni 22nd, 2018 at 20:21
@peinhart: ganz ehrlich? diese weise oder was immer das sein soll, hat so nen eigenartigen pol-pot-vibe. und der gärtner ist einfach n idiot.
Juni 22nd, 2018 at 22:14
Mag sein, aber ‘wir’ womöglich die Komplementäridioten.
Juni 22nd, 2018 at 22:59
Der Gärtner aus Dschuang Dsis Erzählung ist ein Idiot im ursprünglichen Sinne des Wortes (das griechische Idios steht für “eigen, privat, eigentümlich”). Es wundert mich auch, dass im allgemeinen Sprachgebrauch Wörter, wie “eigenartig”, “merkwürdig” und “seltsam” gewöhnlich eher negativ besetzt sind.
Juni 23rd, 2018 at 10:12
Also gute ITler rufen bei Astro-TV an und holen sich dort bei den sachkundigen weithin hellsichtigen Fachkräften Rat.
Und kaufen Kristalle!
Juni 23rd, 2018 at 11:04
Kollege Eberling erinnert an den Besuch eines Nazigenerals beim DFB in Argentinien 1978, verweist nicht auf den Artikel beim Spon und kann daher auch nicht darauf hinweisen, dass Spon das für antirussische Propaganda nutzt. Besser allerdings der Vergleich mit der Folter von Kindern durch Deprivation in den USA, die man Putinputin eher nicht durchgehen ließe.
Juni 23rd, 2018 at 11:52
@flatterinho
SPON hat praktisch alles bei mir abgeschrieben und dann den Text auf einen anderen Termin vorgezogen, um die Leser zu täuschen. Kann man als Quelle schon lange nicht mehr ernst nehmen, daher kannte ich den “Artikel” gar nicht. Ich lese nur noch die Prawda und den Kicker.
Juni 23rd, 2018 at 11:58
Wer von wem abgeschrieben hat, sage ich ja gar nicht, nur dass der kicker das für Propaganda nutzt.
Juni 23rd, 2018 at 12:18
Die antirussische Hysterie hat ja schon im Frühling ihren Höhepunkt erreicht, als sich zwei Kosaken in einem englischen Pub eine Lebensmittelvergiftung geholt haben. Vier Wochen mit Klaus Kleber am Rande des Weltuntergangs.
Juni 23rd, 2018 at 12:24
Brutaler kann Folter nicht sein.
Juni 23rd, 2018 at 12:48
Seit gestern beobachte ich im Hunsrück Hamsterkäufe bei Kautabak, Erdnussbutter und Stahlträgern. Quo vadis, Abendland?
Juni 23rd, 2018 at 16:25
Im ländlichen Niedersachsen beginnt der Festungsbau. Zum dritten Mal sehe ich große,verschließbare Tore vor bisher offenen Hofeinfahrten.
Juni 23rd, 2018 at 18:30
Damit sich die Russen nicht vor den Kopf gestossen fühlen,
aber die Sicherheit in diesem Ausmass wie bisher gewährgeleistetwerdenkann
(Totaltollste Bundeswehr aller Zeiten)
wird von oben darum gebeten
Haus- und Toreingänge nach Westen auszurichten…
Juni 26th, 2018 at 19:44
@Peinhart (5)
Sehr schöne Geschichte, sehr guter Vorschlag.
Juni 27th, 2018 at 08:31
Dann hier noch diesen.