Die Zeiten sind trübe, wenn man sich nicht mit dem Wetter und der Fußball-WM bescheidet. Bin ich Kulturpessimist? Alles übertrieben? Was ist denn besser geworden für die Menschheit? Ich Pessimist bin Optimist, weil mich der Verzicht auf das Vergasen ganzer Bevölkerungsgruppen nicht zufrieden stellt, ja, nicht einmal das schon Jahrzehnte währende Glück, im zivilisatorisch höchst entwickelten Teil des Planeten keine Hungerrevolten und Schießereien auf den Straßen zu erleben, macht mich nicht ansatzweise glücklich – und da lugt er wieder schelmisch hervor, der Pessimist, der Optimist, der es nicht lassen kann, nachzudenken.
Der Westler lebt auf einer Scholle des Glücks, die vor sich hin schmilzt. Schon immer haben wir ignoriert, wer ‘unseren’ schon zur Marke gewordenen ‘Wohlstand’ bezahlt. Öl, Bananen, Baumwolle, Mineralien, Kaffee, Kakao et cetera sind keine Luxusartikel; wir haben einen Anspruch darauf. Wer das Zeugs unter welchen Umständen produziert, hat hier immer nur die Radikalen interessiert, und selbst die interessieren sich immer weniger. Derweil wächst uns das Elend entgegen: Afrika war neulich noch in Griechenland, jetzt sind es die Italiener, deren Faulheit® unseren Wohlstand® gefährdet.
Überall Feinde
Wir führen seit 17 Jahren Krieg. 17. Jahre. Krieg. Schon bemerkt? Weiß wer wofür oder wogegen? Nun, wir müssen ja nicht in den Bunker. Unsere Kinder liegen nicht tot auf der Straße. Weil wir so fleißig sind und so hart für unsere Menschenrechte® kämpfen. Deshalb ging es uns noch nie so gut®. Die Kriege, die der Westen führt, sind zahlreich (Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, Somalia); Iran droht der nächste Kriegsfeind zu werden, mit zu erwartendem Flächenbrand im Nahen Osten. Mit Gewalt wird Russland von der NATO umzingelt, ausgerechnet Krisenherd Georgien soll aufgenommen werden. Der Dritte Weltkrieg gegen Russland ist endlich wieder so wahrscheinlich wie im Kalten Krieg.
In Deutschland sind Naziparolen wieder im Bundestag angekommen, in Ungarn und Polen sind Faschisten an der Regierung. Deutschland kennt derweil keine zwei Meinungen mehr. Von der CSU bis zu den Grünen sind sie alle stramme Atlantiker, noch gegen die AfD, aber schon gegen Flüchtlinge und in diesem Zusammenhang regelmäßig offen rassistisch. Innenpolitisch tut sich nichts; Neid ud Projektion richten sich gegen die Ärmsten: Flüchtlinge und Arbeitslose. Solidarität erlebe ich in Kleingruppen und beim Fußball, wobei Letzterer auch nicht ohne Feindbild auskommt. Immer noch besser als Feindbild ohne Solidarität.
Besser geht’s nicht
Journalismus findet nicht mehr statt. Die verkrusteten Seilschaften der gehobenen Mittelschicht gehen mit ihresgleichen aus der politischen Nomenklatura ins Bett. Sie lassen sich diktieren, was sie berichten dürfen, Interviews müssen ‘autorisiert’ werden, man geht in dieselben Clubs, schon am Anfang der Karrieren. Man kennt sich, man teilt das Gefühl, etwas Besseres zu sein. Man ist sauber und anständig, lebt in der besten aller Welten und verteidigt diese gegen Verschwörungstheoretiker und Radikale.
Es ist alles geölt, gewischt, gewichst, gewienert. Der Müll wird pünktlich abgeholt, die Straße gefegt, alles hat seine Ordnung. Der Staatsschutz weiß stets alles und sieht jedes Übel kommen. Die abstrakte Bedrohungslage ist stets hoch, konkret herrscht totale Ordnung. Keine Änderung in Sicht, keine erwünscht. Deutschland ist Vorbild in der Welt. Hätte ich noch vor irgendetwas Angst, ich wäre außer mir.
Juni 5th, 2018 at 00:35
“Der Westler lebt auf einer Scholle des Glücks, die vor sich hin schmilzt.”
Für mich, das Zitat des Tages!
Wir werden mit den Eisbären untergehen.
Nein, ernsthaft:
Unsere Exportüberschüsse sind die Schulden der Anderen.
Diese dann mit Sanktionen zu belegen (Italien?), ist eine Doppelmoral, die man in dieser Dimension nicht mal von der katholischen Kirche kennt!
Unser deutsches Gebaren, den Rest der Welt zu zeigen, was richtig und was gut ist, hat schon immer (diplomatisch ausgedrückt) Unverständnis ausgedrückt.
Aber wir haben ja Merkel und Scholz!
Diese Sympathieträger werden sicherlich den deutschen Exportüberschuss für die EU-Mitbürger erklärlich und unvermeidbar machen.
Deutschland – sagen wir es doch offen – ist der letzte Garant für die Stabilität der EU.
Also ist jedwede Kritik an die Handelüberschüsse erst einmal verboten.
Gewinnerträge hatten schon immer Priorität gegenüber den Bedürfnissen, derer, die diese Gewinnerträge erwirtschaften.
Lohnzurückhaltung (flankiert durch die Gewerkschaften) treibt andere EU-Mitglieder vor sich her.
Je besser der Sozialabbau einer Volkswirtschaft umgesetzt wird, desto erfolgreicher deren Setting auf den Märkten.
Momentan folgen wir noch den Aktien-Kurven, der Inflationsrate und der Neuverschuldung.
Wie es der öffentlichen Intrastruktur geht (Schulen, Kindergärten, Straßen …) ist erst einmal egal.
Der Mammon zählt! Das Geld zu den Reichen muss weiterhin fließen! Ungehindert und (von den Qualitätsmedien) unhinterfragt.
Während die Toiletten auf vielen öffentlichen Schulen unfreqeuntierbar sind, gibt es gleichzeitig immer noch keine Vermögenssteuer.
Der Feind sind immer noch die Bedürftigen, die Abgehängten, die Besitzlosen.
Und genau jene müssen sich als Bedürftige als bedürftig ausweisen.
Jene müssen ausweisen, dass sie sich ausreichend um Ausbeutungsverhältnisse beworben haben.
Die Ausbeuter aber bleiben weitgehend unbehelligt.
Denn Arbeit ist sozial.
Arbeitsverhältnisse/Ausbeutungsverhältnisse sind weiterhin unangefochten.
Deren Profiteure leben weiterhin im Schatten und betreiben Steuerflucht.
Verfolgt der Staat letztere oder die Verlierer dieses Ausbeutungssystems?
Eben!
Alles ein Schmierentheater (Schweinesystem!) mit dem Anstrich einer Demokratie.
Ist parlamentarisch legitimiert und muss deswegen ja auch gerecht sein.
Bullshit!
Juni 5th, 2018 at 07:49
… and no way out.
Theorien? Ansätze? Alles vorhanden, aber alles bäh und böse.
Deutungshoheit in der Legislative und der Exekutive, Rechtshoheit in der Judikative sowie Meinungshoheit in der öffentlichen und historischen Debatte. Nichts kommt der Diktatur näher als unsere viel geliebte, viel gelobte Bürokratur … äh Parlamentrie … mhhh Demoskopurtrapie.
Eine der Wirtschaft(lichkeit) unterworfene Gesellschaftsordnung kann und wird niemals demokratischen und schon gar nicht humanitären Ansprüchen gerecht werden.
Hauptsache, der Anschein wird gewahrt und alle fühlen sich gut gekauft. Aber ohne ein entsprechendes politisches, der Wirtschaft(lichkeit) entgegen gesetztes Konzept, hat sich die Menschheit überlebt. Damit geht es eben schneller zu Ende und letztlich werden alle froh darüber sein. Sowohl die gelangweilten, zu immer neuen Dimensionen der Dekadenz verurteilten Superreichen, wie auch die am letzten Brotkrumen knaupelnden, der Menschlichkeit und ihrer “Würde” eh schon beraubten Massen.
Es kommt nix mehr, es braucht nix mehr. Nur der wütende aber nutzlose Jammer des Abgesangs durch ein paar scheue Gestalten am Rande, vom Widerstand durch “gewaltlose Sozialisation” abgehalten, begleitet den Niedergang der Zivilisation.
Aber dunkle Zeiten gebären Helden, will man nur fest genug an die amerikanische Popkultur glauben. Nicht umsonst hetzten die eine/n Superman/women nach der/m anderen Superduperheldin/en über die Leinwände der medialen Kultürlichkeit.
Alles sehnt nach “Erlösung” von “unserer Schuld”.
Früher dachte ich ja immer, dass die “russische Seele” düster und an Melancholie nicht mehr zu überbieten wäre, wurde jedoch in letzten Jahrzehnten eines Besseren belehrt. Der religiös indoktrinierte Schuldkomplex macht keine nationalen Unterschiede.
Kurz: “Wir werden eh alle stöhrböhhn, drum tuet Buße! Ningelwimmerselbstmitleid!” Ich mag den Großteil der Menschen irgendwie immer weniger, je mehr ich mit ihnen zu tun habe. Da mache ich selbst keine Außnahme. ;-)
Juni 5th, 2018 at 15:50
Ganz im Sinne der Überschrift – eine lesenswerte Analyse der gegenwärtigen politischen Landschaft der USA, mit Abstrichen durchaus übertragbar.
Wobei sich hier eben auch ganz klar die Grenzen eines ‘Progressiven (Links-) Populismus’ zeigen. Vielleicht muss man diesen Weg aber doch ein Stück weit gehen und, wie wohl auch Fraser, hoffen, dass dann auch mehr daraus werden könnte…
Juni 5th, 2018 at 16:24
@ThomasX:
Sehr düster Dein Kommentar, aber in seiner Prognose für mich schlüssig.
Lesetipp:
Wer den Großteil der Menschheit nicht mag, kann dies ausgezeichnet bei der Lektüre von Bukowski feiern.
Dessen Tod hat mir in meiner Lebensspanne am meisten weh getan. Sogar noch mehr als bei Lemmy.
Beides extremst coole Säue.
R.I.P.
Juni 5th, 2018 at 18:38
@3.
Gramscis Hegemonietheorie, auf die sich Frau Doktor beruft, ist verdünnter Leninismus:
Die herrschende konservative Aristokratie („Elite“) soll durch eine neue linke Aristokratie („Elite“) bekämpft und ersetzt werden.
Nicht mit mir.
Juni 5th, 2018 at 19:23
Mit mir auch nicht.
Juni 5th, 2018 at 20:13
@Wal – Also lieber weiter rechte Eliten? Ich bin ganz gewiss auch kein Freund von (angeblichen) Eliten aller Art, aber eine ‘linke’ Variante könnte uU nicht nur weiteren rechten Unfug und Schlimmeres verhindern, sondern mit etwas Glück den Boden bereiten für weitere Schritte, konkret zB in Sachen Genossenschaftsgesetz oder eben Bodenrecht und Eigentumsbegriff – zZt sind die rechtlichen Bedingungen alternativen Ansätzen aller Art als andere als förderlich. Und ‘auf Schlag’ kommen wir aus diesem wunderbaren System sicher auch nicht heraus – oder nur mit einem, von dem wir uns vermutlich so schnell nicht erholen werden.
Ja, ‘Realpolitik’ ist lausig, und nicht nur ich habe insbesondere an dem hiesigen Projekt ‘Sammlungsbewegung’ auch mehr als nur so manches zu kritisieren – die Richtung, in der Dinge momentan laufen, gefällt mir aber noch weit weniger, und ein ‘emanzipatorisches Potential’ sehe ich dort gleich gar nicht. Was spricht also konkret dagegen, so ein Projekt ‘kritisch zu begleiten’? Die Prinzipientreue kann man auch in die Kritik stecken…
Juni 5th, 2018 at 21:55
Das klingt nicht viel anders als: There is no alternativ.
Tu, wie du meinst, aber meine Unterstützung gebe ich weder für die alte noch für eine Neue Elite.
Juni 5th, 2018 at 22:07
Das läuft ja wieder ziemlich para. Erstens denke ich nicht, dass irgendwer hier eine ‘Elite’ will, zwotens kann man auch keine mal eben wirksam zu einer solchen erklären, drittens wollte langfristig noch nie jemand eine und viertens bin ich immer noch der Ansicht, dass sie maßlos überschätzt werden.
Vielleicht können wir mal differenzieren, inwieweit es da um Entscheidungsstrukturen geht und wo Elite sich mit Ideologie verbindet. Wenn Ideologie nämlich Elite als solche befürwortet, ist beides selbstverständlich abzulehnen.
Juni 6th, 2018 at 09:38
Moin,
nun lasst uns doch mal über Gewalt reden.
Baue gerade für mein Holde ein neues Bad, kpl.) das bedeutet Hammer, Meißel raus und wenn du nicht willig bist, dann…… Um etwas kpl. (Bad) neues zu schaffen, muss ich das Alte herausreißen bzw. zerstören.
Ich vermute mal das die Dinge, so wie sie liegen, sich nicht durch schöne Worte, Protestaktionen, Laternen und Menschenreihen, Petitionen etc. verändern werden. Habe mal die sog. “Wahlen” explizit ausgelassen. Wie liefen denn in der Vergangenheit gesellschaftliche, evtl. radikale, im Sinne von Abkehr/Umkehr, Umwälzungen?
Mann stelle sich mal einen linksorientierten, gewaltbereitet A.H. vor. Ein Fall für Monty P. oder vielleicht nicht??
Juni 6th, 2018 at 09:39
@flatter – Ideologie entsteht aus den Verhältnissen. Ideologie ist nichts, was von ‚irgendwo’ hineingetragen werden kann.
Propaganda kannste machen, aber nicht Ideologie.
Das ‚können‘ nur die, die meinen, sie können Menschen umerziehen (müssen).
Juni 6th, 2018 at 09:53
Es mag ja sein, dass ich als Mittelstadtbewohner in einem besonders kruden Umfeld lebe, aber 90% der Menschen, die ich bisher kennen gelernt habe, lehnen es ab über sich und die (ihre) gesellschaftlichen Umstände nachzudenken. Ihnen reicht ein Sündenbock für die eigene Misere, ob Gott, Schicksal, unfähige Politiker oder Migranten ist wumpe.
Der Rest war dann noch mal zweigeteilt. Interessante Gespräche über gesellschaftliche Alternativen hatte ich mit fast allen, wobei für die Meisten „das Führen“ im Vordergrund stand, wenige nur machten das dann von materieller Zuwendung abhängig.
Das ist das aktuelle Personal für den Wandel, damit sollte man leben lernen.
Ich kann doch nicht erwarten, das im vorhanden System eine signifikante Anzahl Menschen sich für den Aufbau einer egalitären und emanzipierten Gesellschaft entscheidet, heimlich und unterhalb des Radars der Machthaber die Strukturen für die Zeit „danach“ aufbaut und am Todestag des Kapitalismus wie Kai aus der Kiste springt.
Das aktuelle System wird sich verabschieden, so oder so. Ob mit dem Knall in den Untergang der Menschheit wird man sehen. 1979 hätte sich auch niemand vorstellen können, dass der „Ostblock“ 10 Jahre später geräuschlos implodiert.
Kommt es zum großen Knall ist die Chance auf den Wandel vertan.
Es steht wohl außer Frage, das der Mensch sich Hierarchie mit fast allen anderen Menschenaffen teilt, und es wird keine zwei Wochen (Monate, Jahre, Jahrzehnte) nach dem Knall brauchen bis der erste Orang-Utan mit der dicken Keule sich sein „Reich“ aufbaut.
Und die Untertanen werden wie immer gehorchen.
„Befehl und Gehorsam, Oben und Unten, Alphamännchen und Harem“ ist über Millionen Jahre verankertes Denken, vielleicht genetisch verankert.
„Emanzipation und Egalität“ muss man lernen.
Juni 6th, 2018 at 11:11
@Wat.: Ich kann deinem verkürzten Begriff von Ideologie nichts abgewinnen. Ideologie ist ein Weltbld; das muss mit “Verhältnissen” überhaupt nichts zu tun haben, und es muss auch nicht das herrschende sein.
Juni 6th, 2018 at 11:18
Meine Langfassung von Ideologie steht hier:
http://www.marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_ij/ideologie.html
Ob Du damit mehr anfangen kannst; dahingestellt. Es ist halt meine ;-)
Juni 6th, 2018 at 11:25
Ich bin halt kein ideologischer Marxist. “Ideologie” war zunächst das enzyklopädische Projekt; der Versuch, das Wissen der Welt als ganzes zu erfassen. Als (totales) Weltbild wiederum ist ihre banalisierte Form im Zweifel eher von Vorgängern und deren Narrativen geprägt als von “Verhältnissen”, auch wenn es sich auf diese beziehen muss. Religion etwa ist Ideologie par excellence. Es ist verblendet, alles immer nur als Resultat von Produktionsbedingungen betrachten zu wollen. Das ist ein Blick durchs Schlüsselloch und selbst Ideologie.
Juni 6th, 2018 at 12:30
Das ‚können‘ nur die, die meinen, sie können Menschen umerziehen (müssen).
Yep, zB die Vereinigung der Bayrischen Wirtschaft…
Juni 6th, 2018 at 12:46
Es ist verblendet, alles immer nur als Resultat von Produktionsbedingungen betrachten zu wollen.
Ich würde ja wie gesagt so weit gehen, dass die gegenwärtigen Produktionsverhältnisse selbst nur vor dem Hintergrund eines bestimmten Welt- und Menschenbildes möglich waren und sind. Und es daher durchaus sinnvoll wäre, sich mit diesem zu beschäftigen und es natürlich auch in Frage zu stellen.