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Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-1987-0909-423 / Sindermann, Jürgen / CC-BY-SA

Wie so oft inspiriert durch die hiesigen Kommentare, werde ich im folgenden einen Blick zurück werfen auf die ‘Wende’, womit ich nicht den Einfall westlichen Kapitals in die DDR und deren Anschluss meine, sondern die Veränderungen in der Sowjetunion mit einem besonderen Blick auf die geschichtliche Situation.

Gorbatschow war als Nachfolger Tschernenkos und seines Mentors Andropow nach Jahrzehnten der erste Chef des ZK der KPdSU, der nicht schon im Rentenalter war. Das mag ein Grund gewesen sein, warum er sich an Reformen heran traute, die dem starren Apparat eigentlich nicht zugetraut wurden. Er hat dabei auch fatale Fehler gemacht; u.a. hat er die Flexibilität der Partei über- und die Macht der Provinzfürsten unterschätzt und verordnete Handelserschwernisse für Wodka. Das trug ihm reichlich hoch motivierte Feinde ein und offenbarte, dass er den Apparat nicht im Griff hatte.

Gorbatschow war von Anfang mit den Slogans “Glasnost” und “Perestroika” an den Start gegangen, für Offenheit, weitgehende Pressefreiheit und die Ermutigung offener Kritik an Partei und Staat sowie den Umbau der ineffizienten Wirtschaft. Gleichzeitig waren er und sein Außenminister Schewarnadse die Motoren der drastischen Abrüstung zwischen Ost und West. Spätestens mit Reagans Ankündigung des SDI-Programms wurde der Wettlauf ruinös für die sowjetische Wirtschaft. Gorbatschow hat daher mehrfach einseitige schritte angeboten und vollzogen, auch in dem Bewusstsein, dass immer noch reichlich Overkill vorhanden war.

Vor dem Quantensprung

Das Ganze trug sich Mitte der 80er bis Anfang der 90er Jahre zu. Wie gesagt, war die Mangelwirtschaft der verkrusteten Sowjetunion ein Riesenproblem im Riesenreich, das dafür sorgte, einen hochgerüsteten Staat, der über reichlich Technologie und gewaltige Bodenschätze verfügte, dennoch auf dem Niveau eines Schwellenlandes zu halten. Es gab weitere Gründe dafür, aber besser organisiert hätte sie diese Phase überstanden.

Die meisten “kommunistischen Bruderstaaten” begrüßten die Entwicklung, nur besonders verknöcherte Regime wie Rumänien und der DDR stellten sich dagegen. Der ganze Ostblock war durstig nach Veränderung, wobei den meisten überhaupt nicht der Sinn danach stand, in den Eistrog kapitalistischer Konkurrenz geworfen zu werden.

Es war die Zeit, in der sich der wichtigste technologische Quantensprung der letzten Jahrzehnte vollzog, die Entwicklung massentauglicher Computer. Der Osten hatte nicht die Infrastruktur gehabt, um selbst schon so weit zu sein, hätte aber zumindest für die Belange der Organisation zügig den Einsatz dieser Technik ausbauen können. Besonders die Produktion, vor allem deren Effizienz, hat weltweit kurz darauf die Segnungen dieser Technik erfahren. Da gab es schon keinen kommunistischen oder sozialistischen Staat mehr in Europa.

Die Übernahme

Mit dem Zerfall der Sowjetunion zerfiel Osteuropa. Das Scheitern Gorbatschows mündete in die Abspaltung der Teilrepubliken zur “Gemeinschaft Unabhängiger Staaten“. Deutschland wurde zum kapitalistischen Staat vereinigt. Russland hatte unter der ‘Führung’ Boris Jelzins, einem schwer alkoholkranken Ex-Funktionär der KPdSU, mit sich selbst zu tun und sah tatenlos zu, wie die einstigen Verbündeten sich von westlichem Kapital übernehmen ließen. Die NATO führte einen Angriffskrieg in Ex-Jugoslawien und breitete sich immer weiter nach Osten aus, entgegen Genschers Versprechen an Gorbatschow und Schewardnadse.

Das Scheitern Gorbatschows, der Zerfall des Warschauer Vertrages und der Einfall westlichen Kapitals trafen auf eine Situation im Wandel. Man kann darüber spekulieren, wie die Welt sich entwickelt hätte, wäre Gorbatschow ein paar Jahre länger im Amt geblieben, hätte sich die Sowjetunion mit der heute in Osteuropa erreichten Produktivität umgestalten dürfen und mit ihr die sozialistischen Staaten Osteuropas. Eine ähnliche Frage stellt sich für den Fall, dass die DDR nicht einfach verschenkt worden wäre.

Hätte, wäre, wenn. Es war ein winziges Zeitfenster, in dem die Dinge sich radikal verändert haben, und vielleicht war es nicht bloß Helmut Kohl, der so drängte, Deutschland zu vereinigen, sondern auch die reichen Eigentümer, deren Think Tanks ähnliche Szenarien entwickelt haben. Hätte Gorbatschow gesoffen oder wenigstens ein Gespür für den Stellenwert des Wässerchens in der Kultur seines Reiches gehabt, es hätte schon alles anders kommen können.